zurück zur Übersicht

Im Gespräch mit Christina Hummel

29.06.2020

Christina Hummel leitet das Wiener Café Hummel in dritter Generation und meistert den Spagat zwischen Tradition und Innovation. Persönlicher Kontakt zu den Gästen ist der Vollblut-Gastronomin wichtig.

„Das Kaffeehaus ist ein Ort des ‚All-ein‘-Seins“

Christina Hummel leitet das Wiener Café Hummel in dritter Generation und meistert den Spagat zwischen Tradition und Innovation. Warum Kommunikation das Wichtigste ist und was es mit der Hummel-Philosophie auf sich hat, erzählt die Vollblut-Gastronomin im Pago-Interview.

Die passionierte Josefstädterin Christina Hummel bezeichnet ihr Traditionscafé gerne als zweites Wohnzimmer für ihre Gäste. Der zwischenmenschliche Wohlfühlfaktor ist ihr auch bei Mitarbeitern und Lieferanten sehr wichtig. Trotz neuer Trends und Modeerscheinungen in der Gastronomie möchte sie sich vor allem selbst treu bleiben.

Frau Hummel, Sie stehen in dritter Generation an der Spitze einer legendären Wiener Institution, dem Café Hummel. Wie verbinden Sie die Tradition des klassischen Wiener Kaffeehauses mit den Ansprüchen an den neuen Zeitgeist mit Coffee to go und Superfood-Trends?
Jede Generation hatte ihre Bestimmung, um Teil dieser Institution und Geschichte zu sein. Mein Großvater erdete das Fundament 1935, mein Vater erweiterte das Kaffeehaus zum Café-Restaurant. Und ich hatte 2012 den großen Umbau, um das Café Hummel für das nächste Jahrtausend zu rüsten. Wir sehen uns als Brücke zwischen der Tradition und der modernen neuen Welt: klassische Kaffeehausküche bis hin zum Falafelteller, von der Melange bis hin zum Coldbrew Coffee.

 

Was ist aus Ihrer Sicht notwendig, damit Traditionsunternehmen nicht nur bestehende Kunden halten, sondern auch neue dazu gewinnen?
Es gibt die drei Grundpfeiler der Hummel-Philosophie: Unsere Gäste – sie fühlen sich willkommen und bekommen die beste Qualität. Unsere Mitarbeiter – sie fühlen sich wohl und fair behandelt und geben das an unsere Gäste weiter. Und die Treue zu uns selbst – wir sind authentisch, bodenständig mit gleichbleibender Qualität und Unterstützung der langjährigen Partner. Ganz neu haben wir die Hummel App und unseren Werbefokus auf Instagram und Facebook, um auch jüngere Gäste gezielt anzusprechen.

 

Sie haben in einem Interview erwähnt, dass die Kommunikation mit dem Gast eines der Erfolgsgeheimnisse des Café Hummel ist. Was sollen Ihre Gäste als erstes empfinden, wenn sie zur Tür hineinkommen?
Am wichtigsten ist der persönliche Kontakt zu den Gästen, sie möchten wiedererkannt werden und Aufmerksamkeit bekommen. Unsere langjährigen Ober haben dieses Feingefühl und ich habe von meinem Vater gelernt, immer wieder durchs Lokal zu schlendern und persönlich zu begrüßen und zu plaudern.Es ist das zweite Wohnzimmer … Das Hummel als Ganztageskonzept ist 365 Tage im Jahr zu Ihren Diensten. 

 

Sie sind stark in der Nachbarschaft verankert, haben viele Stammgäste aus der Gegend, wurden 2015 sogar zur Josefstädterin des Jahres nominiert: Was bedeutet Ihnen Ihr Grätz’l?
Ich bin hier geboren und bin Teil der Geschichte dieses Bezirks. Wir sind Nahversorger und Herberge für viele Stammkunden. Das Kaffeehaus ist ein Ort des „All-ein“-Seins. Aber auch der Geselligkeit, hier wird Geschichte gelebt.

 

Man liest immer wieder von Personalmangel und der belastenden Arbeit in der Gastronomie. Sie hingegen haben eine geringe Fluktuation und Mitarbeiter sind oft viele Jahre bei Ihnen. Welche Maßnahmen setzen Sie, damit die Leute gerne bei Ihnen arbeiten? 
Ein faires Miteinander ist mir sehr wichtig. Wir sind Partner, die ohne einander nicht können. Bei uns werden die freien Stellen eher durch Mundpropaganda besetzt, obwohl dies sicherlich in den letzten Jahren zur Herausforderung geworden ist. Wir gewähren den Ausgleich eines Work-Life-Balance-Prinzips und ich habe mehr Mitarbeiter als ich eigentlich brauchen würde, um ihre Freizeit zu gewährleisten. Auch bei Urlaub und Krankenstand muss ich niemanden anrufen.

Und wie gehen Sie selbst mit Ihrem Arbeitsalltag um? Sind Sie eher ein Workaholic oder können Sie auch etwas abgeben?
Ich muss abgeben können! Freizeit ist wichtig, denn ich habe einen kleinen Sohn, und ich erkaufe mir meine Freizeit, da ich einen Geschäftsführer habe, der mich vertritt.

 

Sie sind derzeit Klubobfrau der Wiener Kaffeehausbesitzer, haben die Leitung 2016 unter schwierigen Bedingungen übernommen. Welche Ideen gibt es für den Klub?
Wichtig ist, der Wiener Wirtschaft und dem Wien Tourismus die Relevanz dieses Klubs unter die Nase zu reiben. Ganz ohne Hilfe der Stadt Wien und der Österreichischen Wirtschaftskammer haben wir es geschafft, den Klub wieder aus der Not zu reißen. Wir haben die Klubmitgliedschaften international ausgeweitet und das würde ich auch weiterhin empfehlen, da die Ehre, in diesem Klub Mitglied zu sein, im Ausland mehr geschätzt und anerkannt wird als bei uns. Der Zusammenhalt, gerade in herausfordernden Zeiten, die Möglichkeit sich auszutauschen, das ist der Fokus und Standpfeiler dieser Vereinigung.

 

Worauf legen Sie besonderen Wert, wenn Sie Partner oder Lieferanten wie PAGO auswählen?
Nachhaltigkeit, Regionalität, Qualität und die Ansprechperson – wenn das alles passt, ist der Preis Nebensache.Langjährige Partner geben dir ein Sicherheitsgefühl und Qualitätssicherung, helfen bei Projekten und sind Teil des Ganzen: keine großen Worte, sondern große Taten – das ist wichtig.

 

Was trinken Sie persönlich am liebsten?
PAGO Marille, pur, ohne Wasser gespritzt. Man muss diesen Nektar so richtig ölig spüren. Das erinnert mich an meine Kindheit, da fühl ich mich frei und ohne Verantwortung. Strahlend unbescholten, das ist wie eine Belohnung! Oder manchmal ein Glas Pinot Noir Sekt.

 

Sie sind Vollblut-Gastronomin, Klubobfrau und Mutter, außerdem singen Sie in einer Rockband und sammeln leidenschaftlich gern Schaukelpferde: Wie schaffen Sie sich Auszeiten im Alltag und wie wichtig sind sie für Sie?
Wenn ich nicht ausgeglichen, zuversichtlich und motiviert bin, sind es meine Mitarbeiter auch nicht, daher leiste ich mir diese Auszeiten. Musik ist für mich wie ein Ventil, da kann ich den ganzen Druck rauslassen, der in mir brodelt.

 

Das Motto von PAGO lautet „Liebe das Leben“: In welchen Situationen können Sie selbst so richtig das Leben genießen?
Liebe das Leben, liebe das Geschäft, dann liebt dich das Leben/Geschäft auch. Ganz einfach. Aber am ausgeglichensten bin ich, wenn mein Geschäft voll besetzt ist, dann kann ich alles genießen ohne große Sorgen.

 

Würden Sie Ihrem Sohn raten, in Ihre Fußstapfen zu treten?
Ich würde ihm raten, das zu tun und zu verfolgen, was er liebt und womit er glücklich ist. Ich werde ihm auf jeden Fall die Möglichkeit geben, offen ins Leben zu gehen.

 

Wenn Sie nochmal von vorn anfangen könnten, würden Sie etwas anders machen?
Glauben Sie mir, in meiner Laufbahn habe ich schon einige Fehler gemacht.Aber diese Fehler haben mich zu dem Menschen oder der Unternehmerin gemacht, die ich heute bin. Und darauf bin ich stolz, denn das Versagen ist der größte Lehrmeister des Lebens.

 

Was soll man in 100 Jahren über das Café Hummel sagen?
Dann sind wir 185 Jahre alt! „Noch 15 Jahre, dann feiern‘s 200-jähriges Jubiläum, das wird ein Fest!“, soll man sagen. Aber ganz ehrlich, wir feiern heuer im Mai 85-jähriges Jubiläum. Hier werden wir den Fokus auf unsere Stammgäste und langjährigen Mitarbeiter setzen, denn nur deshalb gibt es uns schon so lange. Und natürlich wegen der Gastgeber-Gene in unserer Familie!