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PAGO und die faszinierende Welt der Marken

08.11.2021

Die Ausstellung „Austrian Brand Stories“ ermöglichte es Besuchern einen Blick hinter die Kulissen österreichischer Marken zu werfen. Christian Thomas, Kurator der Ausstellung erzählt im Interview über die spannende Markengeschichte von Pago.

"Jede Marke schafft ihre eigene Welt, mit einer eigenen Faszination und eigenen Regeln."

Die Ausstellung „Austrian Brand Stories“ im Museumsquartier ermöglichte es Besuchern bis Anfang Oktober einen Blick hinter die Kulissen österreichischer Marken zu werfen. PAGO Fruchtsaft war Teil dieser Ausstellung und präsentierte die Erfolgsgeschichte der bekannten Marke. Doch was steckt hinter dem Begriff „Marke“? Wodurch zeichnen sich erfolgreiche Marken aus?

Christian Thomas, Kurator der Ausstellung „Austrian Brand Stories“ und Marken-Experte, erzählt im Interview über seine Ausstellung und die spannende Markengeschichte von PAGO.

Christian, du bist Kurator der Ausstellung „Austrian Brand Stories“. Wie kam es zu deinem Interesse an Marken und ihrer Geschichte?
Ich habe vor 20 Jahren mein Büro für Kommunikationsdesign in Wien gegründet. Wir wollten alles besser machen. „redesigning the world“ haben wir etwas großspurig hinausposaunt. Von Anfang an galt unser Hauptinteresse einem umfassend konzipierten Auftritt von Marken. Heute sage ich „Wir erfinden Welten“. Denn jede Marke schafft ihre eigene Welt, mit einer eigenen Faszination und eigenen Regeln.

 

Wie entstand die Idee für die Ausstellung „Austrian Brand Stories“?
Die Idee zur Ausstellung gibt es schon sehr lange. Um die Jahrtausendwende war eine außergewöhnliche Bewegung in eine zuvor eher ruhige Markenwelt gekommen. Man konnte kaum einen Tag in den Supermarkt gehen, ohne dort nicht mindestens ein Packaging-Redesign zu entdecken. Ich war von einem regelrechten Jagdfieber gepackt und habe jahrelang alle Redesings gekauft und gesammelt, die ich ergattern konnte.
Als Mitglied von designaustria habe ich vor mittlerweile etwa 15 Jahren die Idee an Severin Filek – Geschäftsführer von designaustria - herangetragen, eine Marken-Schau zu zeigen: Wie verändern sich unsere Marken? Was steckt dahinter? Welche Ideen? Welche Designer? Welche Geschichten? Es hat dann aber doch erstaunlich lange gedauert, bis wir die Idee endlich umgesetzt haben, umso mehr bin ich froh, dass wir die Ausstellung nun zeigen konnten.

 

Was war dein Highlight zur Ausstellung?
Schon die Tatsache, dass wir trotz des – auch für die teilnehmenden Marken – schwierigen vergangenen Jahres die Ausstellung überhaupt zeigen konnten, ist ein Highlight. Dann empfinde ich es vor allem als bereichernd, so viele Menschen, die sich mit ihren Marken identifizieren, kennengelernt zu haben. Denn Marken leben davon, dass Menschen sie weitertragen, weitererzählen und weiterentwickeln. Viele der gezeigten Marken gibt es seit hundert Jahren oder länger. Ich kann mit Besuchern und Besuchergruppen über die Marken sprechen und von ihnen erfahre ich sehr viel darüber, wie sie die Marken wahrnehmen, was sie gut und was sie weniger gut finden. Das ist ausgesprochen interessant.

 

Warum musste PAGO ein Teil der Ausstellung sein?
PAGO war von Anfang an einer meiner Wunschkandidaten, denn PAGO ist eine der gelernten Marken unseres Landes. Sie hat alles, was eine starke Marke ausmacht: einen unverwechselbaren Auftritt mit einer ikonischen Flasche, einer sehr signifikanten Farbzuordnung mit Grün, Gelb und dem roten Schriftzug. PAGO ist sehr beliebt in Österreich, obwohl man gemeinhin sehr wenig über den Hintergrund der Marke weiß. Schon allein deswegen schien es wert diese Geschichte auszuheben und zu präsentieren.

 

Wir sprechen immer wieder von „Marken“ oder „Brands“. Was definiert denn eine Marke?
Über Marken wurden und werden immer wieder Definitionen aller Art vorgeschlagen, die alle irgendwie stimmen und die auch alle immer wieder angepasst werden müssen, denn unser Bild der „Marke“ ändert sich laufend. Früher waren Marken lediglich eine Kennzeichnung, die auf den Hersteller und damit auf eine beglaubigte Qualität verwiesen hat. Das reicht schon lange nicht mehr aus. Für mich persönlich sind Marken Geschichten, die die Fähigkeit haben, Menschen zusammenzubringen. „Beziehungsgeschichten“, wenn man so will. Die erfolgreiche Arbeit mit Marken ist für mich daher Beziehungsarbeit, für die man ein Verständnis für das Erzählen von Geschichten braucht. Beides ist keine Selbstverständlichkeit, wie man oft erkennen muss.

 

Wie wird dann eine gewöhnliche Marke zu einer „Kultmarke“ oder „Traditionsmarke“? Wo liegt der Unterschied?
Ich selbst schrecke immer ein wenig vor dem Begriff „Kult“ zurück, weil er eine oft zu leichtfertig angenommene oder sogar ungerechtfertigte Überhöhung bedeutet. Da bin ich skeptisch, denn diese Überhöhung muss sich erst beweisen. Traditionsmarken haben Bestand gehabt. Sie waren immer ausreichend attraktiv, um über lange Zeit gebraucht oder sogar begehrt zu werden. Da ist Substanz vorhanden. Das Angebot ist relevant. Die Beziehung funktioniert – mal besser, mal vielleicht auch schlechter – aber sie hält über Jahrzehnte. Mit dem Attribut „Kult“ bin ich da vorsichtiger, da kann das Feuer auch rasch wieder abkühlen. Aber wenn die Kultmarke genügend Substanz hat, kann sie auch Traditionsmarke werden. – Die Beatles waren Kult und wurden Tradition. Andere sind vielleicht nur kurz Kult, später aber nicht mehr von Bedeutung.

 

Wie passt da die Marke PAGO dazu? Wodurch unterscheidet sich PAGO von anderen Fruchtsaft Marken?
PAGO gibt es seit 1888. Das Produkt hat sich in einer Zeit etabliert, in der das Herstellen haltbarer Fruchtsäfte keine Selbstverständlichkeit war. Viele der hier in der Ausstellung vorgestellten Marken haben einen Platz eingenommen, der nicht besetzt war und konnten sich einen Namen machen. Dazu gehört unternehmerischer Mut, Entschlossenheit, Zuversicht, Durchhaltevermögen, der Glaube an die eigene Innovation und Innovationskraft. PAGO hat bei uns einen Platz besetzt. Mag sein, dass andere Fruchtsaftmarken da nicht viel anders sind. Aber PAGO war innovativ und konsequent und hat sich als Marke etabliert, mit einem typischen Auftritt und einer verblüffenden Allgegenwart: In der entlegensten Hütte steht PAGO auf der Karte. Meine Kinder kannten schon mit drei „PAGO Marille“. Das schafft Identifikation.

 

PAGO hat eine interessante geschichtliche Entwicklung hinter sich. Was viele nicht wissen, alles Begann in Kärnten mit der Produktion von Sodawasser.
Im 19. Jahrhundert war Sodwasserproduktion seit etwa den 30er-Jahren weit verbreitet. Auch die Brüder Pagitz haben sich 1888 aufgemacht, um in Klagenfurt mit Sodawasser erfolgreich zu werden. Zuerst haben sie nur Fruchtsäfte mit Soda gemischt, eine damals gängige Methode. Erst 1920 hat der Enkel Jakob Pagitz sein eigenes Pressverfahren entwickelt, um Fruchtsäfte über lange Zeit und ohne Geschmacksverlust haltbar zu machen.  Das hat eine neue Ära eingeleitet. Erst 1949 allerdings wurde der Markenname eingetragen: „PAGO“ als Kombination des Familiennamens Pagitz mit dem Wort Obst. Mit einem sehr guten Vertrieb in ganz Österreich hat PAGO einen fixen Platz als bekannte und beliebte österreichische Marke besetzen können. Gerade nach dem Krieg waren Haltbarkeit und Genuss relevante Themen. Beides war bitter notwendig, und PAGO konnte es anbieten.

 

Warum funktioniert das Design der ikonischen grünen PAGO-Flasche mit gelbem Deckel noch heute?
Erst 1989, also verblüffend spät, ist PAGO auch in den internationalen Markt eingetreten. Dazu wurde eine eigene Formflasche entwickelt. Das Design von Horst Meru – der die Studienrichtung für Industrial Design an der Kunstuniversität in Linz gegründet hat – war und ist auffällig, ohne exaltiert zu sein. Die Flasche wirkt wie eine Frucht und hat damit eine klare Botschaft, die dem Markenkern entspricht: Man hält die pure Frucht in der Hand. Man trinkt die pure Frucht. Die richtige Form vermittelt die Botschaft. Marken funktionieren über klare Formen und Farben: Das Grün und Gelb und Rot von PAGO haben in der Flasche einen fixen Platz und eine fixe Aufgabe. Das funktioniert sehr lange und wird auch erwartet.

 

Wie viel Änderungen darf sich denn eine Marke erlauben?
Marken dürfen sich im Grunde jede Änderung erlauben, solange ihre Glaubwürdigkeit erhalten bleibt, bzw. sogar davon profitiert. Eine Änderung, die einen Missstand behebt, ist also immer ratsam. Und Missstände entstehen zwangsläufig, weil sich die Bedingungen ändern. Marken müssen also laufend geändert werden – entweder feinjustiert oder wenn nötig auch radikal. Ich habe die Gelegenheit gehabt, meine Besucher in der Ausstellung nach Veränderungen zu fragen: Welcher Schriftzug gefällt euch besser? Wohin soll es gehen? Sollen wir an der Flasche was ändern? Prinzipiell kann man sagen: Menschen haben Angst vor Veränderungen. Menschen sind aber auch unzufrieden, wenn alles so ist, wie es ist. Eigentlich ein Dilemma, aber ein Dilemma, das Spaß macht, weil man dadurch als Marke immer etwas zu bieten hat, wovon die Beziehung zwischen Angebot und Konsument profitiert.

 

Was ist deine Lieblingsgeschichte zur Marke PAGO?
Meine persönliche Lieblingsgeschichte ist tatsächlich die, dass meine Kinder ohne meinen Einfluss PAGO als Marke verstehen. Mit meiner Familie bin ich sehr oft im Ennstal und sogar dort auf den Almen findet sich dann „PAGO Marille“, das meine Kinder sehr gerne haben. Auf PAGO ist Verlass – wird dadurch vermittelt. PAGO ist eine Marke, die man als Österreicher offenbar von Kind an als Selbstverständlichkeit lernt. Ein „PAGO Marille“ oder „PAGO Johannisbeere“ begleitet einen sehr unaufgeregt sein ganzes Leben. Das ist sehr interessant. Deswegen freue ich mich darüber, dass die Marke Teil der Ausstellung ist.